Problematisches Sfizy Veg oder warum Veganismus mehr als Käseersatz ist


Aus gegebenen Anlass veröffentlichen wir einen kurzen Text zur Problematik im Umgang mit (ehemaligen) Mitarbeiter_innen des „Sfizy Veg“ und verweisen auf die von der FAU organisierte Demonstration,“Gewerkschaftsfreiheit statt Klassenjustiz“, am 04.06.2016, um 14 Uhr am Hackeschen Markt in Berlin Mitte.

„Sfizy Veg: Ein veganes Paradies, die Hölle für Arbeiter“. So titelte die Webseite der Freie[n] Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union Berlin am 23.12.2015 und beschrieb damit einen Vorfall, in dem zwei Mitarbeiter_innen in der veganen Pizzeria „Sfizy Veg“, in Berlin-Neukölln, im November 2015 „an Ort und Stelle gefeuert“ wurden. Die nun ehemaligen Beschäftigten sind jedoch FAU-Mitglieder und so begann im Januar der Kampf, um die Abänderung des offiziellen Kündigungsgrundes und der generelle Protest gegen die „Firmen-Politik“ vermeintlich linker Gaststätten in Berlin. Denn nicht nur im „Sfizy Veg“ sind die Unterschiede, zwischen der äußeren Fassade und dem Umgang mit Mitarbeiter_innen im Inneren, gravierend. So gibt man sich betont alternativ und irgendwie links, klebt sich ’nen Anti-Pelz-Sticker an die Tür und ein „Köpi bleibt“ Plakat ins Fenster, bietet (überwiegend oder nur) vegane Produkte an und fertig ist der neue Laden für die (aber nicht nur) vegane Berliner Alternativkultur.

Dass davon bei kürzeren oder längeren Gesprächen mit Betreiber_innen, aktuellen sowie ehemaligen Mitarbeiter_innen nicht viel mehr übrig bleibt, als die immer gleichen hohlen Phrasen oder, wie im Fall des „Sfizy Veg“, auf Arbeiternehmer_innen-Rechte „geschissen“ wird, obwohl man sich nach außen eine anarchistische und anti-kapitalistische Grundausrichtung gibt, muss zu einer klaren Kante der Tierrechts- und Tierbefreiungsbewegung dagegen führen. Selbstverständlich ist es toll in eine Pizzeria zu gehen, ohne zu fragen, ob es die Pasta auch als vegane Variante gibt. Die Anfangszeit des „Sfizy’s“ bot für uns nicht nur die Möglichkeit leckere, vegane Pizza- und Pastagerichte zu verspeisen, sondern sich auch als Gruppe einzubringen und zu bemerken, dass es innerhalb eines kapitalistischen Systems Läden geben kann, in denen Politik eine gleichberechtigte Rolle, neben der Rentabilität des Ladens, spielt. Der große Tierrechtsschriftzug stach beim Eintritt ins „Sfizy“ sofort ins Auge, es gab neben Stickern und Aufnähern auch eine relativ große Bücher- und Zeitschriftenauswahl mit explizit linkspolitischem Inhalt. Zusätzlich veranstaltete die Berliner Tierbefreiungsaktion (BerTA) jeden Monat einen Soli-Tag, an dem die Gewinne des Tages einem vorher bekanntgegeben Zweck zukamen. Doch schon nach kurzer Zeit nahmen die „Gerüchte“, über den Umgang der Bertreiber_innen gegenüber den Mitarbeiter_innen, zu. So wurde von cholerischen Anfällen in der Küche, unzumutbaren Arbeitsbedingungen und ausbleibenden Lohnauszahlungen berichtet. Ob dies alles immer gestimmt hat, soll dahingestellt bleiben, völlig aus der Luft gegriffen scheinen die Anschuldigungen, auch aufgrund der jetzt stattfindenden Kampagne der FAU, nicht zu sein.

Doch was soll jetzt der ganze Artikel hier nun aussagen: Wieder ein Vorwurf gegenüber dem ganzen Lifestyle-Veganismus? Im Prinzip schon, denn anhand des „Sfizy Veg“ kann deutlich beobachtet werden, dass das Problem, des Auseinanderdriftens von Veganismus und Politik, nicht nur bei „Gesundheitsveganern_innen“ wie Hildmann und Co. zutage tritt, sondern sich auch in einer scheinbar linksalternativen, und im vorliegenden Fall angeblich anarchistischen Umgebung ausbreitet. Und wie auch beim Lifestyle-Veganismus a lá „Attila“, können und müssen wir als tierrechtspolitische Bewegung, auch im vorliegenden Fall des „Sizy Veg“ klare Kante zeigen. Wenn wir die Ungleichheit von nichtmenschlichen und menschlichen Tieren beenden wollen und wenn wir für eine Welt ohne Ausbeutung und Leid kämpfen, dann müssen und werden wir auch den Arbeiter_innen des „Sfizy Veg“ unsere Solidarität aussprechen. Denn wie die FAU es richtig sagt, ist es den aktuell geschassten ehemaligen Mitarbeiter_innen egal ob die Betreiber_innen sich nun als links, alternativ oder anarchistisch betiteln. Wer ausbeuterische Methoden an den Tag legt und anwendet, ist nicht besser als der Rest, gegenüber dem man sich anscheinend abgrenzen möchte. Eine vegane Ernährung ist mehr als der Vergleich von Käseersatzprodukten im „Veganz“. Veganismus bedeutet die kapitalistische Ausbeutung von Tier und Mensch in Frage zu stellen, und mit dem „Verzicht“ auf tierische Produkte eine Alternative aufzuzeigen bzw. zu leben. Dies ist nicht immer einfach und auch wir als vegan lebende Menschen sollten uns noch öfter hinterfragen, wo beispielsweise unser täglicher Kaffee herkommt oder ob wir tatsächlich wieder den umständlich in Plaste verpackten Tofu kaufen müssen. Was uns jedoch eint ist der Wunsch nach Veränderung der Gesellschaft. Nach Veränderung der aktuellen Bedingungen für Tier und Mensch innerhalb eines Systems, dass nur den Profit vor Augen hat. Und dieser Wunsch nach Veränderung hört nicht in unseren Küchen auf, sondern fängt dort erst richtig an. Das bedeutet daher nicht nur den oben erwähnten „Verzicht“ auf tierische „Lebensmittel“, sondern auch der aktive Verzicht auf den Konsum in Betrieben wie dem „Sfizy Veg“ oder dem „Veganz“ (zwei Beispiele unter vielen), die sich zwar einen ökologischen, umweltbewussten, tierrechtspolitischen und teilweise antikapitalistischen Anstrich geben, diesen aber gar nicht oder nur zum Teil und nur aufgrund des Trends, einhalten. Dass dies nämlich auch anders geht bzw. genau so geht wie man es vorgibt, zeigen die Beispiele „la stella nera“ und „Dr. Pogo“ (beide in Berlin-Neukölln).

Daher gebührt unsere Solidarität nicht nur den von Ausbeutung betroffenen nichtmenschlichen Tieren, sondern auch den von Ausbeutung betroffenen menschlichen Tieren, wie im vorliegenden Fall den ehemaligen Mitarbeiter_innen des „Sfizy Veg’s“.

Für die Befreiung von Mensch und Tier.

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