Rechte für Tiere?

Rechte für Tiere?

Neonazis suchen den Schulterschluss mit der Tierbefreiungsbewegung

Für Menschen, die die Neonazi-Szene beobachten ist es nichts Neues: Neonazis firmireren derzeit mit gesellschaftskritischen Inhalten und versuchen so, in sozialen Bewegungen Fuß zu fassen. So organisieren Menschen, die sich „Autonome Sozialisten“ nennen, bei Montagsdemos gegen die HartzIV-Reform mit, engagieren sich in Sachen Umweltschutz und interessieren sich neuerdings auch für Tierrechte und Veganismus. Dabei wird versucht, vormals oder aktuell „links“ definierte Szenecodes zu okkupieren[1]. Von der Kufiya, dem so genannten „Palituch“ über politische Schlagworte wie „Antikapitalismus“ und sogar „Antifaschismus“ bis hin zum szenetypischen Bekleidungsstil und subkultureller Musik wird alles dem neuen rechten Style einverleibt, was sich irgendwie mit der neuen Ideologie vereinbaren lässt — allerdings nicht ohne den Versuch, die Begriffe neu zu besetzen und althergebrachte Anleihen aus nordischer Mythologie und germanischem Heidentum mit einfließen zu lassen. Kaum wurde das in schwarz-grün abgewandelte Symbol der «Antifaschistischen Aktion» zur Meme in der antispeziesistischen Bewegung, fand es auch bei den Neonazis Anklang.
«Ürsprünglich steht das Symbol für die Antispeciesist Aktion. D.h. für die Gleichstellung verschiedener Spezies (Tier und Mensch). Wir haben uns das Symbol angeeignet da es (für uns) eine verbindung zwischen der National Sozialistischen Weltanschauung und der Naturverbundenheit darstellt. Das Symbol wird/ist aber schon abgeändert worden, damit unmissverständlich klar wird das auch Nationale Sozialisten im freien Widerstand für die Rechte der Tiere kämpfen!» (Aus einem Neonazi-Forum, Fehler im Original)

Zum ersten mal in der Öffentlichkeit wahrnehmbar waren die „Nazis für Tierrechte“ ende Mai diesen Jahres. Mehrere Neonazis aus Pirna und Dresden beteiligten sich am Aktionstag der «Offensive gegen die Pelzindustrie» und stellten sich in Boxershorts mit einem Transparent vor die P&C-Filiale in Dresden und verteilten Flugblätter für „Peta“[2]. Als Neonazis erkennbar waren sie nur für Menschen, die die Codes der „neuen Rechten“ kennen. Erst das Antifa-Recherche-Team aus Dresden machte darauf Aufmerksam, wer hinter den vermeintlichen Tierrechtler_innen steckt[3].

Schon zu diesem Zeitpunkt wurde begonnen, den Themenkomplex Tierrechte auf publikatorischer Ebene ideologisch zu integrieren. Mutete der Artikel „be free – go straight edge“ in der Bundesweit verteilten Neonazi-Schülerzeitung „[‚invers]“[4] noch naiv an, erschien mit der ersten Ausgabe des „fallen rain mag“ die erste Nischenpublikation für Umweltschutz, Tierrechte und Nationalsozialismus, herausgegeben von einem Neonazi aus Edemissen[5].

«Ein weiteres Standbein des Magazins sind Gespräche mit verschiedenen Personen aus dem Naturschutzspektrum. So beinhaltete die erste Ausgabe Gespräche mit der Tierrechtsorganisation PeTa […]. So wird im 2. fallen rain ein ausführliches Gespräch mit den „Nationalen Sozialisten für Umwelt und Naturschutz“ enthalten sind.

Dabei setzt sich das fallen rain Heft kritisch mit der heutigen Gesellschaft und dem Raubtierkapitalismus auseinander. Die Wegwerfmentalität der Bevölkerung wird angeprangert und die tierrechtliche Seite wird besonders hervorgehoben. Deshalb wird im fallen rain auch über Vegetarismus/ Veganismus informiert und aufgeklärt.» (Aus einer Werbung für die Publikation „fallen rain mag“)

Hinter den Versuchen der „neuen Rechten“, in der Tierrechtsbewegung mitzumischen, steht eine klare Strategie. Die vermeintlich progressiven Inhalte sind nur vorgeschoben, im Vordergrund steht für die Neonazis, jugendkulturkompatibel zu sein und so neue Menschen für ihre menschenverachtende Ideologie mit poppigem Anstrich zu gewinnen.

Schon einmal konnte innerhalb der rechten Szene der Versuch, emanzipatorische Inhalte von Rechts zu besetzen, beobachtet werden. Neonazis versuchten, sich an den Protesten gegen die Castor-Transporte zu beteiligen[6]. Doch die Reaktionen der Antiatombewegung waren klar abweisend und verhinderten ein Fuß fassen der Rechten.

Doch mittlerweile sehen die Neonazis genauer hin, wo tatsächliches Potenzial für eine inhaltliche Vereinnahmung vorhanden ist. Die Tierrechsszene scheint dabei ein lohnendes Ziel zu sein.

Gerade die ideologische Offenheit von Teilen der Tierrechtsszene gegenüber rassistischen und esoterischen Inhalten bietet Neonazis ungeahnte Möglichkeiten der Anknüpfung. Die Tatsache, dass mit der Beschränkung auf die Forderung nach Tierrechten keine anderen Herrschaftsmechanismen angegriffen werden, macht es den Neonazis leicht, Gemeinsamkeiten zu entdecken – Widersprüche sind nicht vorhanden oder können ausgeblendet werden.

Nicht von Ungefähr beziehen sich die Neonazis stark auf die Organisation „Peta“, in der Kampagne „Der Holocaust auf deinem Teller“ sehen sie den geforderten Schlussstrich unter die Aufarbeitung der Nationalsozialistischen Diktatur – eine ideologische Nähe, die von den Inszenierenden der Kampagne immer wieder klein geredet wurde. Es ist kein Zufall, dass die Neonazis gerade für „Peta“ die Werbetrommel rühren.

Ebenso aufschlussreich sind die Reaktionen auf die Beteiligung der Neonazis an der P&C-Kampagne. Von der «Offensive gegen die Pelzindustrie» kam zwar ein klares Statement, dass Tierbefreiung und faschistische Ideologie nicht vereinbar sind, andere Teile der Tierrechtsszene jedoch begrüßten die Aktion unter dem unsäglichen Leitspruch „Hauptsache für die Tiere“ oder bezweifelten, dass die „Protestierenden“ Neonazis sind[7].

Die Forderung nach Tierrechten ist nicht emanzipatorisch. Sie kann von beliebigen Bewegungen adaptiert werden und passt durchaus in die Ideologie der Neonazis. Es ist nicht verwunderlich, wenn Neonazis oder Organisationen wie „Universelles Leben“ sich Tierrechte und Veganismus auf die Fahnen schreiben und damit Anhänger_innen finden.

Herrschaftsförmige Ideologien finden dort keinen Halt, wo ein emanzipatorisches Moment vorhanden ist, wo die Machtausübung gegenüber anderen Spezies als herrschaftlicher Mechanismus, als Speziesismus, erkannt wird und in den Kontext einer umfassenden Kritik an Machtverhältnissen gestellt wird. Hinter Speziesismus, Sexismus, Rassimus, … wirken die selben Mechanismen, die selben Logiken.

Antispeziesismus bedeutet auch, rassistische Verhältnisse zu bekämpfen, Sexismus zu dekonstruieren. Antispeziesismus bietet keine Anknüpfungspunkte für Nazis.

Fußnoten

[1] Weitere Infos: Veranstalungsreihe „Des Nazis neue Kleider“, apabiz, berlin

[2] http://veg.gs/de/blog/tag/nazis/

[3] http://venceremos.antifa.net/ddneonazis/fks/karstenscholz/invers.html/

[4] http://www.heise.de/tp/r4/artikel/19/19693/1.html/

[5] http://de.indymedia.org/2005/03/110058.shtml/

[6] http://www.netzwerk-regenbogen.de/nazis_vs110301.html/

[7] http://www.vegan-central.de/foren/board_entry.php?id=26289

Autor: Yetzt (Artikel erscheint für das Magazin Tierbefreiung Aktuell.)